Carl Zeiss Jena
Sonnar 180mm 1:2,8
Ein trübe Winter Sonntag, ideale Zeit um die feinmechanischen Fähigkeiten wieder einmal zu trainieren.
Passenderweise habe ich kürzlich ein interessantes Objektiv erhalten das gleich drei Herausforderungen zu bieten hat.
Zum einen ist die Blende ohne Funktion und steht immer offen, zum Anderen ist es wohl mal gestürzt und dabei auf den Filterring gefallen, dadurch erheblich eingedrückt.
Ob nun als Folge davon, oder aus anderen Gründen, ist der Fokus im mittleren Bereich etwas schwergängig.
Also, auf ans Werk.
So sieht es vorher aus, so soll es hinterher idealerweise auch wieder aussehen.
Das Gehäuse ist recht massives Aluminium, muss also schon kräftig aufgeschlagen sein. Ohne eine Drehbank oder entsprechende Lehren, wird hier nie wieder ein Filter aufsitzen.
Um nun nicht ganz im Trüben zu fischen habe ich mir erst einmal etwas Hilfsmaterial besorgt, die technischen Zeichnungen von Carl Zeiss Jena zum Sonnar 180, im Internet findet man einfach alles wenn man zu suchen weiss.
Zugegeben, das ist so nur bedingt hilfreich, zeigt mir aber direkt, das ich nicht einfach von einer Seite an die Blenden herankomme wie das beim Kaleinar 150mm der Fall war, sondern von beiden Seiten ran muss.
Das bedeutet auch, das ich es schaffen muss den Filterring wieder so weit zu richten, das ich den inneren Sprengring ausschrauben kann.
Aber jetzt von Anfang an.
Als erstes muss der Bajonett Adapter (Hier Pentacon-Six) runter, 4 kleine Schräubchen und fertig.
Als nächstes müssen zwei äussere Ringe runter, einer dient als Abstandhalter, der Zweite hält den Stativanschluss und ist auf dem Objektiv drehbar. Ein kleiner Hebel sollte den Ring feststellen können, versagt bei der Aufgabe aber kläglich. Das liegt nicht an der Abnutzung, eine klare Fehlkonstruktion an der Stelle…
Eine Madenschraube raus und beide Ringe kommen ab, ein dritter, schmaler Abstandsring muss nur herausgehoben werden.
weitere 4 Schrauben, und das nächste Element kann angehoben werden. hierbei darauf achten wie genau es eingebaut ist, es enthält die Mechanik für die Springblende und muss daher nachher wieder genau positioniert werden da diese sonst nicht funktioniert.
Der braun gefärbte Teil ist der haupt Tubus um den das ganze Objektiv aufgebaut ist, wir nähern uns also.
Das jetzt frei zugängliche hintere Element sollte man erst noch drauf lassen bis man die gesamte Blendenmechanik demontiert hat.
Auf dem 2. Bild sehen wir den ring mit dem die Blendenvorwahl gesetzt wird, er greift über eine schräge Nut in einen weiteren ring der die Auswahl an die Blendenmechanik überträgt.
De Ring heben wir jetzt vorsichtig heraus, hierbei darauf achten, das die kleine Kugel die in die Stufenraste der Blendenvorwahl greift nicht herausfällt. normalerweise kann sie das nicht, da sie durch einen leicht gekrimpten rand gegen ihre Feder gehalten wird, aber wenn sie doch raus ist wird es unangenehm die wiederzufinden…
das hier ist jetzt die Mechanik der Springblende. Die kleine Feder soll die blende schliessen sobald sie freigegeben wird. sie ist nicht sehr stark, was sie auch nicht sein muss wenn alles in Ordnung ist, sind die Lamellen aber verklebt, meist so wie hier von verharztem öl, so funktioniert das nicht mehr und die blende schliesst entweder unzuverlässig, langsam oder gar nicht, wie hier der fall.
2 schrauben lösen und den Hebel der in das Gehäuse ragt vorsichtig aus seiner Führungsnut ziehen, alle genau merken wie es positioniert ist damit es nachher auch wieder funktioniert. lieber 5 Fotos zu viel machen als eines zu wenig.
Als nächstes müssen die 2 Führungen raus die beim fokusieren den hinteren teil des Objektivs (dieser ist fest an der Kamera, bewegt wird dabei der gesamte innere Körper des Objektivs), parallel halten.
je 2 schrauben und sie sind raus.
jetzt erst einmal auf gar keinen fall die Fokussierung bewegen, sonst bekommt man es nie wieder richtig zusammen, erst müssen ein paar andere Sachen runter.
nun den ring herausheben für die blendeneinstellung und dann das fast schon wichtigste: den Fokus bis zum Anschlag auf unendlich stellen und dann ganz genaue Fotos machen auf denen man dann später, nach dem erneuten aufsetzen des fokusgewindes sehen kann ob man es richtig gemacht hat. Präzision ist hier der Schlüssel.
jetzt das fokusgewinde vorsichtig abdrehen und genau in dem moment da es sich löst ein Foto machen, oder noch besser markieren wo es zusammenkam. das garantiert nachher zwar nicht das man es beim ersten mal wieder hinbekommt, aber hilft sich zu orientieren, damit man nicht alle gefühlten 1257 steigungen des Gewindes durchtesten muss bis es wieder passt.
Das fokusgewinde kurz optisch prüfen, wenn es nicht verdreckt oder verharzt ist finger weg davon, es zu reinigen ist eine extrem unangenehme Aktion und das fett das man dafür nachher braucht ist extrem schwer zu bekommen und kostet um die 40 Euro pro 10 mg.
In diesem fall ist soweit alles ok, man sieht aber auf einer Seite des Gewindes das es dort etwas stärker belastet ist, auf den Fotos ist das aber nicht zu erkennen. es ist auch genau die Seite auf die das objektiv wohl einmal gefallen ist, da es sich dabei um eine Verformung im micrometer Bereich handeln wird gibt es dort nichts was man selber tun kann. Man könnte versuchen das Gewinde etwas einzuschleifen mit entsprechender paste, dabei ist aber die Gefahr sehr hoch das es danach zu leicht läuft. ich habe also beschlossen mit der Schwergängigkeit im mittleren Bereich zu leben. ist eh kein objektiv für actionfotografie…
Jetzt wird es zeit die hintere Gruppe abzuschrauben, wobei Gruppe etwas stark ist, es ist nur eine linse und die kann man leicht abschrauben.
und nun sehen wir unser ziel schon klar vor augen, die blenden. nur wie bereits befürchtet kommen wir da so nicht daran, die Befestigung und Mechanik ist nur von der anderen Seite zugänglich.
man könnte nun versucht sein, einfach den unteren teil des Objektivs in nitroverdünner oder bremsenreiniger zu tauchen und die blenden so lange von hand zu bewegen bis alle verunreinigen herausgespült sind, aber ich halte das für keine gute Idee, da beim trocknen des Reinigers wieder Reste abgelagert werden können und kurz später fängt man wieder von vorne an. ausserdem weiss ich nicht welche Auswirkungen diese Lösungsmittel auf die Verklebungen der Haupt Linsengruppe haben, das Risiko würde ich daher nicht eingehen. Und abgesehen davon: schummeln gilt nicht!
Also jetzt erst einmal den oberen Ring mit der Beschriftung raus. ein paar Umdrehungen ging es nachdem ich mit einem Nylonhammer wenigstens einen teil der beule ausgeschlagen habe, aber dann war erst einmal Schluss. vielleicht soll ich doch das ding in Lösungsmittel tauchen?
Nein! Also eine kleine feile genommen und zwei nuten in den ring geschnitten in die ich ein Werkzeug einsetzen kann um dann mit mehr Hebel zu drehen, und ja, so geht es.
Ich gehe aber erst einmal davon aus, das ich den ring wohl nicht mehr hinein bekommen werden.
Die Hauptgruppe herausdrehen ist jetzt ganz einfach, sie sitzt auf einem anderen Gewinde weiter innen im Tubus der nicht merklich von der Verformung betroffen ist, die massive Bauweise wird auch ein verziehen verhindert haben.
Das teil ist recht schwer, also Vorsicht wenn man es herauskippt.
jetzt sehen wir die Mechanik der blenden vor uns. der leicht drehende, kugelgelagerte ring mit den Löchern bewegt die blendenlamellen und muss nachher wieder exakt eingesetzt werden damit die nut für die Springblende auch wieder an der richtigen stelle im Gehäuse sitzt.
Ein weiterer verschraubter ring muss gelöst werden bevor man das herausheben kann, Vorsicht, sofort fliegen die hauchdünnen Lamellen auch raus, im Foto liegen sie als häufchen auf dem Tisch unter der öffnung.
Was nun im Gehäuse verbleibt ist der ring mit den führungsschienen für die blendenlamellen, den abzuschrauben ergibt keinen sinn.
Die Lamellen sollte man nur mit einer Pinzette anfassen, zu gross ist die Gefahr, das sie bei einer unvorsichtigen Berührung verbiegen, und dann ist es aus mit der leichtgängigkeit…
wie man auf dem vorigen Foto sieht haben die lamellen zwei nieten, eine auf jede Seite. die niete in der äusseren Rundung ist das Scharnier um das sich die Lamelle dreht, die in der Mitte ist der mitnehmen für den ring mit den Führungsschienen.
damit beim reinigen nichts passiert nehme ich eine dicke pappe und stanze dort Löcher vor in die ich die Lamellen mit den nieten lege. und jetzt Wattebäusche auf die Pinzette, nitroverdünner drauf, ganz vorsichtig reinigen und danach direkt abtrocknen, ich nehme dafür Kosmetiktücher.
Danach alle flusen von Watte etc. entfernen, geht mit pinzette und druckluft.
Druckluft ist eh ganz wichtig, damit kann man alle zwischenschritte von staub befreien.
den nächsten teil hab ich in den Fotos übersprungen, er erfordert ein extremes mass an Geduld, Leidensfähigkeit und frustrationstoleranz.
Die lamellen müssen eine nach der anderen wieder eingelegt werden, hierbei muss die mittlere niete in die führungsschiene der unteren Scheibe. Hier macht sich bezahlkt einen satz hochwertige pinzetten zu haben, nicht die aus dem badezimmer, sondern ein satz feinmechaniker pinzetten.
bei den ersten 5-6 lamellen geht es recht einfach, aber dann kommen wir in den Bereich in dem die Lamellen überlappen und untereinander geschoben werden müssen. die dinger haben die Eigenheit immer wieder herauszuspringen und daher brauchte zumindest ich etwa 6-7 anläufe bis ich das soweit hatte das ich daran denken konnte den ring mit der drehenden Scheibe wieder aufzusetzen. Da kann man dann erst einmal fummeln bis die Achsnieten der Lamellen in den Löchern sitzen, auch das nicht ganz einfach, eine spitze lange Nadel hilft dabei die Lamellen durch die Löcher in die richtige position zu ziehen. auf jeden fall vorher einen cognac oder zwei damit die Hände ruhig werden, direkt nach 3 espresso braucht man es erst gar nicht versuchen.
wenn alles sitzt sofort den schraubring drauf damit alles fest sitzt.
Ach, ja, drauf achten, das die nut des drehenden Ringes, im ersten Bild unten links, auch genau an der Gehäuseöffnung sitzt, sonst fängt man direkt wieder von vorne an.
hat man alles richtig gemacht, kann man die blende jetzt ganz leicht bewegen, hierfür mit einem feinen Stift oder Schraubenzieher die nut des inneren rings bewegen, man kommt durch die Lücke im Gehäuse dran.
Niemals jemals ever die lamellen selber berühren.
eine frage wird noch oft gestellt: soll ich die Lamellen ölen oder nicht?
Ich rate unbedingt davon ab! man kann ohne Spezialwerkzeug das zeug gar nicht so fein dosieren das es nie auf die Lamellen läuft und dann fängt man wieder von vorne an, denn selbst frisches, flüssiges öl erzeugt eine derartige Spannung zwischen den Lamellen das die Feder keine chance hat die zu bewegen. Evtl. wäre es eine Lösung mit molybdänpulver zu schmieren, aber auch da wäre mir die Gefahr zu hoch das einzelnen Partikel frei herumfliegen und sich auf der Optik absetzen. Ich bin bisher ganz gut damit gefahren ganz auf Schmierung der blendenlamellen zu verzichten.
nun aber wieder alles zurück und in umgekehrter Reihenfolge alles wieder zusammenschrauben. Erst die Linsengruppen wieder einschrauben, vorher darauf achten, as diese ganz megapieke sauber sind! Nichts nervt mehr als nachher staub auf den inneren linsen zu haben.
Also mit frischen mikrofasertüchern reinigen und dann mit Druckluft abstauben.
Sind die zwei Gruppen wieder drin ist weitgehend ruhe, auch wenn durch die seitlichen Öffnungen für die blendenmechanik noch staub herankommen könnte, also weiter vorsichtig bleiben.
Und jetzt der nächste spass, das fokusgewinde wieder richtig aufsetzten. Hier hilft es wie gesagt wenn man sich gemerkt hat wie es sich gelöst hat, trotzdem wird man ein paar versuche brauchen bis man genau die richtige Steigung gefunden hat das es am Anschlag wieder genau so sitzt wie man es sich gemerkt hat.
Der Rest ist recht einfach, alles wieder zusammenschrauben, die einzelnen Elemente wieder einsetzen, die Führungen für das Objektiv einsetzen und festschrauben.
jetzt die Mechanik der Springblende wieder einhängen und anschrauben.
wenn man die Hebel bewegt muss sich die blende auch entsprechend verstellen, alles soll ganz leichtgängig sein. Dann die Feder wieder einhängen, wenn alles richtig ist, ist sie kräftig genug um die geöffnete blende wieder zu schnell zu schliessen.
der rest ist einfach, und wenn alles wieder zusammen ist kann man die blende ganz schliessen und dann mit dem Knopf unten am Bajonett prüfen ob die Springblende wieder schnell schliesst.
Alles fertig, jetzt noch auf eine Gelegenheit warten das Objektiv zu testen.
Alles in allem habe ich für die Reparatur ca. 4 Stunden gebraucht, mit Erfahrung wird man schneller.